Kredit: Der Widerrufs-Joker

Der Widerrufs-Joker
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Der sogenannte Widerrufs-Joker bei Krediten kommt nach jüngeren Gerichtsentscheidungen wieder ins Gespräch. Er bedeutet, dass bei einer fehlerhaften Widerrufsbelehrung das Darlehen ohne Vorfälligkeitsentschädigung kündbar ist. Betroffen sind vor allem nach dem 01.11.2002 abgeschlossene Baufinanzierungen. Angesichts der gesunkenen Zinzen winken hier große Ersparnisse für Eigenheimbesitzer. Allerdings steht eine höchstrichterliche Entscheidung, die für den Juni 2015 schon terminiert worden war, nach Klagerückzug und Absage des BGH noch aus.

Was bedeutet der Widerrufs-Joker?

Die Darstellung einer Widerrufsbelehrung bei Krediten und Versicherungen ist juristisch schon längst geklärt: Sie muss eindeutig - auch drucktechnisch deutlich - im Vertrag enthalten sein. Sie im Kleingedruckten zu verstecken ist nicht zulässig. Dementsprechend urteilte der BGH erst im Juli 2015 zu Versicherungsabschlüssen. Bei Krediten - vor allem bei den hohen Baufinanzierungen - steht so ein höchstrichterliches Urteil noch aus. Die entsprechende Verhandlung war schon für den 23.06.2015 terminiert worden, wurde aber durch den BGH abgesagt, nachdem der Kläger seinen Antrag zurückgezogen hatte. Dabei wäre der Vorteil für die Verbraucher immens: Sie könnten Ihr Darlehen vorzeitig kündigen und ohne Vorfälligkeitsentschädigung zu den aktuellen Niedrigzinsen günstig umschulden. Eine nach früherer Kündigung schon gezahlte Vorfälligkeitsentschädigung wäre eventuell zurückzufordern. Der Hintergrund: Viele Widerrufsbelehrungen von Immobilienkrediten sind fehlerhaft. Damit beginnt die 14-tägige Frist für den Widerruf nicht zu laufen. Dieser kann auch noch Jahre später erfolgen. Wer sich darauf beruft, müsste natürlich umschulden und brauchte eine Anschlussfinanzierung. Ein Anwalt wäre ebenfalls hilfreich.

Jüngere Urteile zur Widerrufsbelehrung und zum “Vorwurf der Verwirkung”

Es gab in den letzten Jahren immer wieder Klagen gegen die mangelhafte Widerrufsbelehrung und damit die Forderung, den Vertrag ohne Vorfälligkeit kündigen zu können. Dem steht der “Vorwurf der Verwirkung” entgegen, wenn ein Verbraucher Jahre später seinen Kredit kündigen möchte. Dabei gibt es vonseiten der Landes- und Oberlandesgerichte zwei gegenläufige Tendenzen der Bewertung. Pro Verbraucher - also für eine auch Jahre später mögliche Kündigungsmöglichkeit wegen mangelhafter Widerrufsbelehrung - entschieden in den letzten Jahren folgende Gerichte:

OLG Brandenburg, Az.: 4 U 194/11, Urteil vom 17.10.2012 LG Karlsruhe, Az.: 4 O 395/13, Urteil vom 11.04.2014 OLG Hamm, Az.: 31 U 40/15, Urteil vom 17. März 2015 OLG Karlsruhe, Az.: 17 U 55/14, Urteil vom 14. April 2015

Andere Gerichte vertraten die Auffassung, dass nach einer gewissen Zeit der nachträgliche Widerruf nicht mehr möglich ist. Nach drei Jahren sei dieses Recht verwirkt. So entschieden unter anderem:

LG Aachen, Az.: 1 O 225/14, Urteil vom 22.01.2015 LG Bielefeld, Az.: 6 O 459/13, Urteil vom 21.07.2014

Verbraucher können versuchen, den Widerrufs-Joker zu ziehen, wenn sie die Widerrufsbelehrung in ihrem Vertrag für fehlerhaft halten. Da die höchstrichterliche Entscheidung noch aussteht, müssen sie aber mit massivem Widerstand ihrer Bank rechnen.

Wie verhalten sich die Banken beim Widerrufs-Joker?

Wenn Verbraucher aus dem laufenden Darlehen aufgrund der mangelhaften Widerrufsbelehrung aussteigen wollen, lernen sie zwei unterschiedliche Reaktionen von Banken kennen. Das hat die “Interessengemeinschaft Widerruf” ermittelt. Es gibt durchaus kompromissbereite Geldinstitute, die dem Kunden entgegenkommen und ihm ein vernünftiges Angebot unterbreiten. Dieses läuft auf eine außergerichtliche Einigung hinaus. Der Kunde zahlt beispielsweise eine Vorfälligkeitsentschädigung, aber eine weitaus geringere, als die Bank verlangen könnte. Im besten Fall spart der Kunde trotz der Vorfälligkeitsentschädigung durch die Kündigung und den Neuabschluss eines Darlehens zu besseren Zinsen wirklich Geld, aber auch die Bank hat nicht allzu viele Federn gelassen. Diese Vernunft würde man sich wünschen, sie ist aber nicht durchgängig verbreitet. Es gibt einige Banken, die stur bleiben. Sie lassen es auf eine Klage des Kunden ankommen, deren Ausgang immer ungewiss sein muss (solange der BGH nicht entscheidet). Zu dieser zweiten Gruppe gehören unter anderem die Commerzbank, die Deutsche Bank und die DKB. Die harte Haltung schreckt Verbraucher ab, denn das Prozesskostenrisiko ist bei den anstehenden Summen hoch. Hinzu kommt das Zinsänderungsrisiko, das möglicherweise noch höher ist. Noch sind die Bauzinsen sehr niedrig, doch bleibt das so bis zum Ende eines jahrelangen Prozesses? Gegen dieses Risiko lässt es sich aber vorgehen.

Vorgehensweise bei einer Klage auf “Widerufs-Joker”

Wenn sich abzeichnet, dass eine Bank zum außergerichtlichen Weg nicht bereit ist, können sich Kunden durchaus ein Finanzierungsangebot mit günstigeren Konditionen einholen und anschließend die vorherige Bank auf Kreditkündigung ohne Vorfälligkeitsentschädigung verklagen. Wenn sie die Klage gewinnen, gibt es zwei Optionen, die von der Zinsentwicklung bis Prozessende abhängen:

Option 1: Die Zinsen sind niedrig geblieben, der Kunden kündigt den vorherigen Vertrag und schuldet günstig um. Option 2: Die Zinsen sind gestiegen. Durch das vorab eingeholte Finanzierungsangebot weist der Kunde einen Zinsschaden nach und fordert Schadenersatz von der vorherigen Bank. Sie hätte schließlich den Widerruf ohne Prozess gleich akzeptieren können.

Mit diesem Vorgehen schützen sich die Verbraucher vor dem Zinsänderungsrisiko während der Prozessdauer, allerdings nicht vor dem Prozesskostenrisiko. Diesem entgehen sie nur, wenn sie zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses schon eine Rechtsschutzpolice besaßen.

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